... wenn's doch nur so einfach wäre ...
Liebe Leserin, lieber Leser!
… und die zweite Woche ist vorbei – ja, wenn's doch nur so einfach wäre mit dem Zählen. Wüssten wir, es kämen noch drei oder vier, und dann ist alles gut, wäre es sicherlich leichter auszuhalten. Aber inzwischen ahnt wohl jeder, dass das nicht so sein wird. Und unser Mitgefühl gilt all denen, die jetzt ungleich Schwereres durchmachen müssen, als selber Erkrankte, als Helfende, als die, die dafür sorgen, dass wir gut versorgt zu Hause bleiben können – und damit – man muss es so sagen – im Moment ja immer auch ihre Gesundheit, ja letztlich ihr Leben riskieren – für andere.
Mir selber kommt es gerade so vor, als hätte ich mich auf der Autobahn meines Lebens nach längerer Tour auf der Überholspur vor zwei Wochen, scharf abgebremst, rechts eingeordnet und trottete nun – vielleicht hinter einem LKW – Stunde um Stunde, Tag um Tag in der gleichen Spur, zuerst ganz okay, endlich mal ein bisschen langsamer, spart ja auch Sprit. Aber mit der Zeit werde ich ungeduldiger: wann geht es denn endlich mal richtig weiter? Ich will doch selber bestimmen, wie schnell ich unterwegs bin! Und dazu kommt: so viele Ziele meiner Sehnsucht, der sonnige Süden, die weite See, und vor allem die Menschen, die mir fehlen, das alles ist gerade tatsächlich unerreichbar, und um so schlimmer fühlt sich das an.
Wie und wohin fahre ich in dieser Zeit, in diesen Wochen?
Im Predigttext aus dem Hebräerbrief für diesen Sonntag, den 5. Sonntag der Passionszeit, finde ich einen Satz, der mich berührt:
Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.
Ja, wir sind tatsächlich unterwegs, unser Leben lang. Und auf der Suche nach dem ganz großen Ziel. Auch wenn uns vielleicht nicht immer ganz klar ist, welches das ist. Aber es macht alle kleinen und großen Ziele unseres Lebens immer nur vorläufig. Der Hebräerbrief sagt: das eigentliche Ziel kommt erst noch, und es ist uns fest versprochen: im himmlischen Jerusalem, wo alles gut aufgehoben und erfüllt ist, sind Leid und Krankheit, Not und Tod für immer vorbei. So sehr sie uns auch hier auf Erden im Griff haben – und das spüren in diesen Wochen sehr viele Menschen auf teilweise schreckliche Weise – das große Ziel überlässt selbst Krankheit und Tod nicht das letzte Wort. Das letzte Wort hat Gott selber. Und das ist ein Wort des Lebens. Am Ostermorgen werden wir es neu hören. Und es gilt jedem und jeder von uns. Auch denen, deren Not nicht zu Ende ist, nur weil unsere Aufmerksamkeit gerade auf anderes konzentriert ist: in den Flüchtlingslagern an den Grenzen Europas, in der Dürre Afrikas, in den Elendsvierteln Asiens und Lateinamerikas.
Wer nicht so weit hinausgreifen mag, kann sich immerhin sagen: also ist der Weg das Ziel. Dann lasst uns versuchen, nicht nach dem verlangen zu wollen, was wir nicht haben können, sondern uns an den Dingen am Wegesrand zu freuen, die ja trotzdem da sind – wie die kleinen Blumen, die im Moment allerorten erblühen: die Zeit mit den Kindern, Zeit für den Garten, ja für so viele Dinge, die liegen geblieben sind, von der Steuererklärung über das Fensterputzen bis hin zu dem guten Buch, das ich schon so lange mal lesen wollte. Das ist kein Ersatz für das, was uns fehlt, aber es hilft uns vielleicht, manche Not besser auszuhalten.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine gute und zuversichtliche dritte Woche!
Ihr/Euer Pastor Hillard Heimann.
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